April

von Erich Kästner

Der Regen klimpert mit einem Finger
die grüne Ostermelodie.
Das Jahr wird älter und täglich jünger.
O Widerspruch voll Harmonie!

Der Mond in seiner goldenen Jacke
versteckt sich hinter dem Wolken-Store.
Der Ärmste hat links eine dicke Backe
und kommt sich ein bisschen lächerlich vor.

Auch dieses Mal ist es dem März geglückt:
Er hat ihn in den April geschickt.

Und schon hoppeln Hasen,
mit Pinseln und Tuben
und schnuppernden Nasen,
aus Höhlen und Gruben
durch Gärten und Straßen
und über den Rasen
in Ställe und Stuben.

Dort legen sie Eier, als ob’s gar nichts wäre,
aus Nougat, Krokant und Marzipan.
Der Tapferste legt eine Bonbonniere.
Er blickt dabei entschlossen ins Leere.
Bonbonnieren sind leichter gesagt als getan.

Dann geht es ans Malen. Das dauert Stunden.
Dann werden noch seidene Schleifen gebunden.
Und Verstecke gesucht. Und Verstecke gefunden:
hinterm Ofen, unterm Sofa,
in der Wanduhr, auf dem Gang,
hinterm Schuppen, unterm Birnbaum,
in der Standuhr, auf dem Schrank.

Da kräht der Hahn den Morgen an!
Schwupp sind die Hasen verschwunden.
Ein Giebelfenster erglänzt im Gemäuer.
Am Gartentor lehnt und gähnt ein Mann.
Über die Hänge läuft grünes Feuer
die Büsche entlang und die Pappeln hinan.
Der Frühling, denkt er, kommt also auch heuer.
Er spürt nicht Wunder noch Abenteuer,
weil er sich nicht mehr wundern kann.

Liegt dort nicht ein kleiner Pinsel im Grase?
Auch das kommt dem Manne nicht seltsam vor.
Er merkt gar nicht, dass ihn der Osterhase
auf dem Heimweg verlor.

Erich Kästner (1899-1974)

Waffen der Liebe

Die ganze Welt ringt mit Gewalt,
voll Hass die einen, andere dulden schweigend;
am Ende jedes Kreuzwegs nimmt Gestalt,
was ahnungsvoll sich an Karfreitag zeigend.

Die Trauer zieht durchs Erdenreich,
es hängt am Kreuz der stille Überwinder;
der Henker machte ihn Verbrechern gleich.
ER ist der Sieger und der Wahrheitskünder!

Die ihn zu Tode quälten, sahen es als Pflicht,
verschlossen hinter Felsen seine Spur;
das Grab war leer – den Leichnam sah man nicht,
nach Golgathas entsetzlicher Tortur.

Waffen der Liebe triumphierten,
noch tun die Henker sich den Mördern gleich;
die Welt wird sich der Wahrheit beugen,
die Auferstehung folgt dem Totenreich.

Mut und Glaube

Die Frühlingswiese ist erfüllt mit Licht -
schau, wie es flammend aus den Wolken bricht,

und wie ein milder Wind darüber streift,
es tief im Boden hin zur Ernte reift.

Den Winterstaub wäscht zarter Regen fort,
ein bunter Bogen spannt am Himmelsort,

verbindet Abschied, Nacht mit Morgenrot,
erhebt ein neues Leben nach dem bitteren Tod.

Kein hehres Zeichen, das die Furcht uns raubt,
trägt mit sich Mut, so, wie ein Mensch, der glaubt.

Halbvergessene Lieder

Bild von didier aires auf Pixabay
Nebelbilder steigen aus den Wiesen,
treiben über strauchverhangene Klüfte,
tanzen, - wie auf unsichtbaren Füßen,
ziehen sie durch kühle Frühlingslüfte.

Über Wald und Heide klingt ein Lied,
wie von tausend Federschwingen;
im noch zart erwachten Sonnenlicht
hört man‘s zwitschern, rufen, singen.

Alte Bäume, wie sie schweigen! -
Noch hört man kein Blätterrauschen.
Nach des Winters rauem Treiben,
gibt’s schon bald ein Kleidertauschen. 

Knospen grünen an den Zweigen,
deren Nacktheit zart bedeckend,
und die ersten Blüten zeigen
sich dazwischen, an den Hecken. 

Droben ziehn die weißen Wolken
über bunten Frühlingswiesen,
auf dem Dach erzählt die Amsel,
will den stillen Tag begrüßen.

Singt die halbvergessenen Lieder,
dringen tief in unsere Seele – 
jedes Jahr erklingt es wieder,
aus des wilden Vogels Kehle! 

Nach Golgatha folgt Ostern

Gethsemane – Carl Heinrich Bloch (1834-1890)
Wie Tentakel saugt es leer die Welt -
Böses hält sie fest in ihren Fängen;
hoffnungslos scheint es um sie bestellt,
blutleer wird sie sein, nach Opfergängen.

Und das sieche Volk schwimmt obenauf,
ausgebeutet durch Vampire dieser Zeit;
taumeln in den Sumpf im Todeslauf,
und das Leben trägt ein Trauerkleid.  

Sind’s die letzten Phasen eines Niedergangs,
sind es letzte Zuckungen der kranken Welt?
Gibt es noch Genesung nach dem Gang
oder ist ihr Todeskampf bestellt?

Lichtgestalt – der Geist, der nie vergeht -
wandelst du noch heute durch die Reihen?
Der vor Gütigen und Reinen steht,
gib den düsteren Stirnen ein Verzeihen!

„Menetekel“ wird als Warnung offenbar,
übersättigt nagt der Hungerschrei,
denn das Unglück dieser Welt ist nah –
Göttlichkeit und Liebe steh‘ uns bei!

Frühlingsmorgen

Wie die vielen Vögel singen!
Heben Sinn und Neubeginnen,
was man wohl willkommen heißt.
Über allem ruht der Geist.

Er, der Meister aller Töne,
der das wohl Erhabene, Schöne,
einstig schuf aus Wort und Sinn,
setzt es fort im Neubeginn.

Bild von Christiane auf Pixabay

Hört am lichten Tag das Singen!
Liebevoll klingt das Beginnen,
füllt des Lebens Füllhorn stumm,
wandelt Tod in Leben um.

Vertreibt Leere der Gedanken,
bringt die Dunkelheit ins Wanken,
Lässt auf bunten Wiesen blüh‘n,
Vergissmeinnicht und Tausendschön.

Ernte des Lebens

Quelle: Pinterest
So, wie ein Landwirt sein - ein Feld bebauen,
es fruchtbar machen, räumen Stein für Stein,
dem Wind, der Sonne und sich selber trauen,
zum Himmel schauen und geerdet sein.

So viele Ackerfelder, die als Brachland liegen,
das ungenutzt unter den Steinen ruht -
sie fortzuräumen und mit neuen Trieben
das Feld bebauen, liebevoll und gut.

Ein guter Same soll auf Äcker fallen,
die wohl besät im Sonnenlicht entstehen,
mit Wind und Regen aus den Himmelshallen
werden sie erntereich zum Ziele gehn.

Neuland

Diego Max
Gebunden ist manch Land, gar regungslos im Handeln,
es macht sich frei, dort neu, wo Leben lenkbar ist.
Um sich zu öffnen, Falsches umzuwandeln,
verlangen altgewohnte Muster Lösungsfrist.

Der Wohlstand wird zum Hochmut und das Werden
ein Akt von neuem Sklaventum; frei ist das Land
durch wahre Helfer, gottestreu auf Erden,
beherrschen alle Wildheit durch Verstand. 

Nicht Brücken bauen über wilde Fluten,
sondern zur Selbsterlösung, aller Freiheit Mühe.
Schenkt Friedensblumen ängstlichen Rekruten,
zeigt ihnen Schönheit frei gewachsner Blühte.   

Wie die Gedanken, die man nicht bezwingt,
hat jede Seele ihres Denkens Garten.
Ein Land, das demutsvoll von neuem Frühling singt,
dienend dem Ganzen darf es ihn erwarten. 

Land der Eichen

Quelle: Pinterest
Land der Eichen, du bist mild geworden,
deine Rinde, wie vom Sturm geglättet,
doch wächst deine Wurzel, alt verwoben,
mit dem Boden, der die Ahnen bettet.

Nahmst die Nahrung dir aus fremden Bächen
und aus blutgetränkten Schollen,
hörtest nicht auf andere, wie sie sprechen,
die wie Blumen um dich wachsen wollen.

Holz, lass deine Jahresringe zählen,
die in dir wuchsen, hin durch ferne Zeiten;
wenn die Geschichte spricht, ist’s wie ein Quälen,
man fühlt die neue Zeit darüber schreiten.

Durch die Heimat rauschen neue Klänge -
wie ein Sang aus tausend fremden Kehlen,
und das Eichenlaub teilt rauschend die Gesänge,
dünkt sich neu, aus unbekannten Seelen.

Idee und Erkenntnis

Das Hirn ist wie ein Pool der Fragen,
in den Ideen und Erkenntnis fließen,
die aus dem Urgrund sich ergießen
und darauf drängen, sich zu offenbaren. 

Die Zeit ist reif für neue Dimensionen,
für neue Energie und Wissenschaft.
Verbunden sind die Kräfte - zauberhaft,
die weltweit in den klugen Köpfen wohnen. 

Gefaltet sind die Flügel der Gedanken,
schwer hängt die Furcht am Menschenkleid.
Entschwebt nun mutig in die neue Zeit,
entdeckt die Rosen unter Dornenranken!